Mit einer Pressemitteilung vom 16. Dezember 2024 hat die ARAG ihren überarbeiteten Tierkrankenversicherungstarif vorgestellt. Besonders im Fokus: die sogenannte Rückwärtsdeckung – ein Konzept, das für Aufmerksamkeit sorgt und als Innovation im Bereich der Tierversicherung präsentiert wird. Doch wie viel Substanz steckt hinter dem neuen Tarifmodell? Wir haben die Details analysiert und zeigen, worauf Tierhalter achten sollten.
Tarifstruktur auf einen Blick
Unter dem Namen TierProtect bietet die ARAG ihre Versicherung in drei Varianten an: Basis, Komfort und Premium. Kunden können zwischen festen Selbstbeteiligungen von 0, 150 oder 250 Euro pro Jahr wählen – eine Lösung, die wir gegenüber einem prozentualen Selbstbehalt deutlich transparenter finden. Die wichtigsten Leistungsmerkmale laut Website:
- Rückwirkender Versicherungsschutz bis zu 3 Monate im Komfort- und Premium-Modell
- Höhere Erstattungen bei bestimmten Erkrankungen
- Flexible Wahlmöglichkeiten bei der Selbstbeteiligung
- Optional zubuchbarer Zahn-Schutz für Hunde und Katzen
- Im Premium-Tarif inklusive: Absicherung für Kleintiere und exotische Haustiere (HaustierPlus)
Es scheint, als hätte die ARAG ihren bisherigen Tarif umfassend überarbeitet und modernisiert.
Beitragsrechner & Preisvergleich
Zur Einschätzung der Kosten haben wir auf der ARAG-Website ein Beispielangebot für eine einjährige Hündin (Mischling, über 45 cm Schulterhöhe, geboren am 01.01.2024) berechnet. Dabei ergaben sich folgende monatliche Beiträge – ohne Selbstbeteiligung und inklusive Zahnbaustein:
- Komfort: 113,73 €
- Premium: 163,97 €
In unseren Vergleichen konzentrieren wir uns üblicherweise auf die leistungsstärkeren Varianten. Im Fall der ARAG wären das Komfort und Premium. Preislich liegen beide im oberen Bereich – also stellt sich die Frage: Sind die Leistungen diesem Preisniveau angemessen?
Rückwärtsdeckung: Was steckt dahinter?
Wer Social Media nutzt, ist der ARAG-Werbung zur Rückwärtsdeckung vermutlich schon begegnet: „Behandlungen schon gehabt? Jetzt Versicherung abschließen und Geld zurückbekommen!“ – doch wie genau funktioniert das?
In den Komfort- und Premium-Tarifen ist es möglich, sich Kosten für Tierarztbesuche rückwirkend bis zu drei Monate vor Vertragsbeginn erstatten zu lassen. Die Erstattungsgrenzen liegen bei:
- Komfort: max. 400 €
- Premium: max. 500 €
Wichtig: Diese Rückerstattung gilt nur für bestimmte Behandlungen oder Vorsorgeleistungen – und das jeweils abhängig vom gewählten Tarif. Im Premium-Modell sind die abgedeckten Leistungen breiter gefächert, etwa auch bei Frakturen oder Kreuzbandrissen. Dafür verlangt der Tarif jedoch rund 50 € mehr im Monat. Rechnet man das aufs Jahr hoch, liegt der Mehrpreis bei etwa 600 €, was die 500 € Rückerstattung faktisch relativiert.
Die Rückwärtsdeckung wirkt auf den ersten Blick attraktiv, bietet aber letztlich nur begrenzten Mehrwert – vor allem für gesunde Tiere oder Halter, die Routineuntersuchungen ohnehin selbst zahlen würden.
Spezielle Erkrankungen – nur im Premium-Tarif
Ein heikles Thema: rassespezifische oder genetisch bedingte Leiden. Die ARAG listet diese unter dem Begriff „besondere Erkrankungen“ auf – darunter z. B. Kurzatmigkeit (Brachyzephalie), Hodenhochstand (Kryptorchismus) oder Wachstumsstörungen (Radius Curvus). Aber: Diese Diagnosen sind ausschließlich im Premium-Tarif versichert.
Andere Versicherer am Markt gehen hier deutlich weiter und bieten bereits im Basisschutz Leistungen für diese Krankheitsbilder. Die bei der ARAG festgelegte Wartezeit von sechs Monaten hingegen ist vergleichsweise fair.
- HD & ED – begrenzte Hilfe bei großen Kosten
- Operationen bei Hüft- oder Ellenbogendysplasie (HD/ED) können schnell teuer werden. Was zahlt die ARAG?
- Komfort: bis zu 2.000 € pro Laufzeit
- Premium: bis zu 3.000 € pro Laufzeit
Gerade im Premium-Tarif ist das Limit enttäuschend: Die maximale Erstattung deckt in vielen Fällen nur einen Teil der OP-Kosten – Nachsorge, Physiotherapie oder die Versorgung der anderen Körperhälfte sind davon ausgeschlossen. Im Ernstfall kann die Eigenbeteiligung also hoch ausfallen.
Gesundheitsfragen – viel Aufwand, viel Risiko
Die ARAG stellt bei Antragstellung umfangreiche Gesundheitsfragen. Halter müssen auch zurückliegende Bagatellfälle oder abgeschlossene Behandlungen angeben – teils Jahre zurück. Erinnerst du dich noch an jeden Tierarztbesuch deines Hundes seit seiner Welpenzeit?
Wird hier etwas vergessen, kann die ARAG das als vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung werten – was zu Leistungsausschlüssen oder sogar Vertragskündigung führen kann.
Viele andere Versicherer sind hier kundenfreundlicher unterwegs:
- Es wird nur nach Erkrankungen der letzten Monate oder nach chronischen Problemen gefragt
- Weniger Detailtiefe bei früheren Behandlungen
- Dadurch weniger Risiko für Fehler beim Antrag
Diagnostik – zu knapp kalkuliert
Im Premium-Tarif liegt das Erstattungsmaximum für aufwändige bildgebende Verfahren wie MRT oder CT bei 700 € jährlich. Das klingt okay – bis man sich die realen Kosten laut GOT (Gebührenordnung für Tierärzte) ansieht:
Ein einfaches MRT beim 1-fachen Satz passt vielleicht noch ins Budget. Wird aber – wie üblich – der 2- oder 3-fache Satz abgerechnet, steigen die Eigenanteile auf 700–1.400 € oder mehr. Dazu kommen weitere Positionen für Sedierung, Auswertung usw. – und schnell übersteigen die Gesamtkosten das Limit deutlich.
Rechtsschutz inklusive – ein Pluspunkt
Neben der tiermedizinischen Absicherung punktet die ARAG mit integrierten Zusatzservices:
- Online-Rechtsberatung rund um Tierhaltung
- Telefonische Erstberatung durch einen Anwalt
Gerade bei Streitigkeiten mit Züchtern, Nachbarn oder Behörden kann dieser Service Gold wert sein – und ist im Tarif ohne Aufpreis enthalten.
Fazit: Guter Ansatz – aber nicht durchgehend überzeugend
Insgesamt bietet die neue Tierkrankenversicherung der ARAG sinnvolle Leistungen, eine übersichtliche Tarifstruktur und interessante Zusatzoptionen. Doch beim genauen Hinsehen zeigen sich klare Einschränkungen – insbesondere im Hinblick auf Leistungshöhen bei HD/ED, Diagnostik oder die Rückwärtsdeckung.
Für Tierhalter mit hohen Ansprüchen oder Hunden bestimmter Rassen kann das Preis-Leistungs-Verhältnis schnell ins Wanken geraten. Wer sich umfassend absichern möchte, sollte genau prüfen, ob der gewählte Tarif auch wirklich hält, was er verspricht – oder ob es Alternativen gibt, die besser zu den individuellen Bedürfnissen passen.
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